Supervision
»Supervision« heißt ja wörtlich »draufschauen« oder »drüberschauen«, setzt also die höhere Warte, den Abstand voraus. Wer zu dicht dran ist, verliert zuerst den Blick aufs Ganze, dann den Blick aufs Einzelne und sieht schließlich nur noch verschwommen. Dieser fehlende Abstand, der uns Entscheidendes übersehen lässt, ist ein alltägliches Phänomen − und wirkt sich gerade im Bereich von Beratung und Therapie zuweilen verheerend aus. Ein Moment nicht wach und präsent und Du hast (wie bei Deinem PC) auf die falsche Taste gedrückt und da kommt was in Gang, was Du gar nicht wolltest. Deshalb sucht der verantwortungsvolle Begleiter selbst immer wieder die Begleitung durch den Supervisor.
Bloß: Supervision ist auch für erfahrene Profis ein mühsames und ziemlich zeitraubendes Geschäft: sich die ganze
Sitzung oder Aufstellung in allen Einzelheiten erzählen lassen, möglichst wörtlich, und dann rausfummeln, wo's
schiefgelaufen sein könnte − das tut man sich als Therapeut wie als Supervisor ungern allzu oft an. Mithilfe von
Soulresponding aber ist Supervision geradezu blind möglich: »Du, ich hab da mit XY gearbeitet − kannst Du mal
draufschauen, ob da was fehlt?« Der Supervisor kriegt ein Ja oder ein Nein »auf den Finger« und wird dann, wenn nötig
anhand einer inneren oder schriftlichen Checkliste nachfragen in welchem Bereich was aus dem Ruder lief − und ist
damit minutenschnell auf dem wunden Punkt.
Auf diese Weise können therapeutische Sitzungen aller Art überblickt werden − ganz unabhängig von ihrer Methode.
Genauso wie Mediationen, Coachings, Mitarbeiterschulungen, Schulunterricht und natürlich auch medikamentöse Rezepturen.
Unter Soulrespondern hat Supervision inzwischen eine neue Qualität von Schonungslosigkeit und Rückhaltlosigkeit erreicht hat. Nichts, was nicht auf den Prüfstand kommt. Und genau darauf kommt's an. Denn mit jedem Drüberschauen über unsere therapeutischen Schnitzer kommen wir weiter auf unserem Weg der Freiheit. Mit jedem »dein Herz war überhaupt nicht offen«, »eigentlich wolltest Du mit ihr/ihm ins Bett«, »eigentlich hasst Du sie/ihn«, »schau mal dein Sendungsbewusstsein an«, »du hast dich klein gemacht aus Bedürftigkeit«, »das Entscheidende hast Du nicht gesehen, weil das auch dein Problem ist«, »du hast ihn/sie gebraucht/missbraucht für...«, »warum bekämpfst Du deine Klientin? Siehst Du deine Mutter?« oder, oder, oder − mit jedem Blick dahin, wo es zunächst unangenehm ist, passiert bei uns selbst Soulresponding: Befreiung durch Wahrheit.
Übrigens diese Art von Supervision ist zeit- und ortsunabhängig. Und sie kann auch aus der Sicht des Klienten
hilfreich sein.
Ganz typisch ist die Gesprächseröffnung: »Also, ich war da 1996 bei einer Aufstellung, ganz toll, aber ich hab
da etwas gesehen, das lässt mich seither nicht los, da kommt ich nicht drüber weg . . .«. Auch da weiß der Finger,
ob da ein unaufgeklärtes Missverständnis ist, ob das überhaupt sein Ding ist oder er sich was Fremdes angezogen hat,
ohne dass es der Aufsteller merkte, usw. usw. Da kann mit zwei Sätzen eine jahrelange Bindung gelöst sein. Oder ein
jahrelang aufgeschobener Therapiebedarf bekommt jetzt seinen Platz.